Siegfried Gelles

Siegfried Gelles (1885-1947) war Rabbiner in Lissa (Leszno) in Posen/Polen und später in Mönchengladbach.

Gelles besuchte das Königliche Wilhelms-Gymnasium Krotoschin in der Provinz Posen1

1908 doktorierte er an der Friedrich-Alexanders-Universität in Erlangen mit der Dissertation Die pantheistischen Gedanken in Leipniz’ “Theodizee” und Schleiermachers “Reden über die Religion” vor. Darauf besuchte er in Breslau das Rabbinerseminar.

Seit Mai 1912 verwaltete er das Rabbinat in Lissa, im Frühjahr wurde er zum Rabbiner der Gemeinde gewählt.2 Zudem war er Königlicher Schulinspektor.

1921 wurde Gelles zum Rabbiner der Synagogengemeinde Mönchengladbach gewählt.3

Gelles gehörte zu den Unterzeichnern des ersten deutschen Keren-Hajessod-Aufrufes, der im Januar 1922 veröffentlicht wurde.4

Im Februar 1939 emigrierte er nach Grossbritanien. Dort war er einige Jahre Geschäftsführer der British Rabbis Association in London.

Die Bibel und der Vegetarismus

1918 erschien in der Allgemeinen Zeitung des Judentums ein Beitrag von Gelles zum Thema ”Der Vegetarismus und die Bibel”, der Anlass zu Diskussionen gab.

Der Vegetarismus, führt Gelles aus, sei in der Ablehnung der animalischen Nahrung “ein geeignetes Mittel, die Menschheit zu heben, sie aus Tier- zu Geistesmenschen heranzubilden.” Mehr noch: “Die Erhebung aber des Menschen zum Ebenbild Gottes, zum Geistesmenschen, bildet auch das letzte Ziel und höchste Ideal der Religion.” Es sei daher nur natürlich, dass in der Heiligen Schrift die Idee des Vegetarismus nicht nur verankert, sondern auch “konsequent durchgeführt” sei.

Gelles verweist in diesem Zusammenhang auf das 1. Buch Moses 1, 28 bis 30, das Menschen und Tieren tierische Nahrung verbietet: “Sehet, ich gebe euch alles samentragende Kraut auf der Erdoberfläche und alle Bäume, an denen samentragende Baumfrüchte hängen; euer sollen sie sein zur Speise. Und allen Tieren der Erde, allen Vögeln des Himmels, allem, was sich regt aus der Erde, in welchem eine Lebeseele ist, alles grüne Kraut zur Speise.” Zudem erinnert Gelles an das Bild der letzten oder messianischen Menschheit und zitiert etwa “und der Löwe wird wie das Rind mir Stroh fressen” (Jesaja Kap. 11).

Zu den jüdischemn Speisegesetzen, die dazu im Widerspruch zu stehen scheinen, erklärt Gelles, dass sie den Anfang der Rückentwicklung der Menschheit zum Vegetarismus darstellen, indem sie verlangen, dass sich der Mensch Schranken in seinem Fleischgenuß auferlege ujhnd folgert daraus: “Der moralische Grund, der den Speisegesetzen untergelegt wird — die Erziehung zur Selbstbeherrschung -, wird erst dann allseitige Anerkennung ernten, wenn so die Menschen immer mehr zur vegetarischen, d. h. zur natürlichen Nahrung angehalten werden.”

1919 wurde Gelles Mitglied des jüdischen Komittees des Daniel-Bunds, der seine Ideen aufnahm.

Veröffentlichungen

Monografien

  • Die pantheistischen Gedanken in Leipniz’ “Theodizee” und Schleiermachers “Reden über die Religion”, Berlin 1908.
  • Vom wahren Leben. Gedanken und Themen zu Predigten für das ganze Jahr, Berlin 1916. Digitalisat
  • Aus jüdischer Seele, Mönchengladbach 1925. Digitalisat

Veröffentlichungen in Periodika

  • “Der Mystizismus und die jüdische Religion”, in: Israelitisches Familienblatt, 13. Jahrg., 27. Juli 1911, Nr. 30, S. 2-4. Online
  • “Seid auf der Hut”
  • “Krieg und Religion”, in: Allgemeine Zeitung des Judentums, 78. Jahrg., 6. November 1914, Nr. 45, S. 529-530. Online
  • “Ist die jüdische Religion gefühlsarm?”, in: Allgemeine Zeitung des Judentums, 79. Jahrg., 5. März 1915, Nr. 10, S. 109-110. Online
  • “Judenpolitik und Politik der Juden”, in: Allgemeine Zeitung des Judentums, 79. Jahrg., 9. Juli 1915, Nr. 28, S. 325-326. Online
  • “Hat sich der Jugendgottesdienst bewährt?”, in Liberales Judentum, 7. Jahrg., Juli und August 1915, Nr. 7/8, S. 77-79. Online
  • “Weltkongress”, in: Allgemeine Zeitung des Judentums, 79. Jahrg., 29. Oktober 1915, Nr. 44, S. 517-518. Online
  • “Noch einmal: Zur Stellung des jüdischen Religionsunterrichts an den höheren Lehranstalten in Preussen”, in: Allgemeine Zeitung des Judentums, 80. Jahrg., 10. März 1916, Nr. 10, S. 116-117. Online
  • “Kriegsaphorismen”, in: Israelitisches Familienblatt, 18. Jahrg., 29. Dezember 1916, Nr. 52, S. 3. Online
  • ”Der Vegetarismus und die Bibel”, in: Allgemeine Zeitung des Judentums, 82. Jahrg., 31. Mai 1918, Nr. 22, S. 257-258. Online
  • “Der Vegetarismus und die Bibel”, in: Allgemeine Zeitung des Judentums, 82. Jahrg., 9. August 1918, Nr. 32, S. 384. Online
  • “Noch einmal Literaturvereine”, in: Allgemeine Zeitung des Judentums, 82. Jahrg., 16. August 1918, Nr. 33, S. 394-395. Online
  • “Hat die Leichenrede eine Daseinsberechtigung”, in: Allgemeine Zeitung des Judentums, 83. Jahrg., 7. Februar 1919, Nr. 6, S. 49-50. Online
  • “Betrachtungen zum Schlussfest”, in: Allgemeine Zeitung des Judentums, 83. Jahrg., 15. Oktober 1919, Nr. 42, S.469-470 . Online
  • “Der Schöpfungsbericht im Religionsunterricht der höheren Klassen”, in: Liberales Judentum, 12. Jahrg., Januar und Februar 1920, Nr. 1/2, S. 10-11. Online

Dokumente

  • Handschriftlicher Brief Siegfried Gelles aus dem Exil in London, 1939, Deutsches Historisches Museum, Berlin. Digitalisat
  1. Vgl. Königliches Wilhelms-Gymnasium Krotoschin in der deutschsprachigen Wikipedia. []
  2. Vgl. Israelitisches Familienblatt, 15. Jahrg., 27. März 1913, Nr. 13, S. 7 (Online). []
  3. Vgl. Der Gemeindebote, 85. Jahrg., 22. Juli 1921, Nr. 15, S.4 (Online). []
  4. (Online). []