Fidusmenschen

Der Begriff Fidusmenschen war Anfang der 1930er Jahre auch in der Schweiz bekannt.

So ist in der Neuen Zürcher Zeitung 1931 in einer Beilage über das Strandbad in der Schweiz zu lesen:

Da liegen zum Beispiel gleich links, wenn man hereinkommt, die Fidusmenschen. Da wo die Sonne am heißesten brennt, haben sie sich hingelegt, das ist an der Lattenwand, die den Strand gegen den Spielplatz abschließt. Wer noch nie einen Neger gesehen hat, schaut sich mit Gewinn einmal eine der dort lagernden Gruppen an. Er erhält dadurch ungesfähr eine Vorstellung davon, wie braun ein Mensch überhaupt werden kann. Fidusmenschen heißen sie deshalb, weil Fidus jene sonnensüchtigen Wesen zeichnet, die mit ausgebreiteten Armen der aufsteigenden Sonne entgegenschreiten. Wer das von morgens bis abends tut, der kann dabei ordentlich verbrannt werden, und ich stelle fest, daß man alles übertreiben kann. Sogar die Schwärze.1

Fidus war zu Beginn der 1930er Jahre kein Unbekannter in der Schweiz. Ebensowenig wie der Schweizerische Lichtbund, der einen Teil der Veranstaltungen während der Vortragsreise 1933 organisierte. Davon zeugt ein Beitrag in der Satire-Zeitschift Nebelspalter, der Ende 1931 unter dem Titel Nacktheit ist sittlich erschienen ist.2

Mit Bezug auf den Titel einer Broschüre der Vereinigung wird darauf hingewiesen, dass beim Freispruch der Vereinigung 1926 argumentiert wurde, dass Nacktheit an sich weder mit Unsittlichkeit noch mit Sittlichkeit etwas zu tun habe. In der Folge wird ausgeführt:

Es ist mindestens eine eben so grosse Torheit, die Nacktheit als sittlich zu loben, als sie als unsittlich zu verdammen. Das führt dann zu jenem Extrem der Nacktkultürlermentalität, die jeden, der nicht nackt herumläuft, als ein komplexes Schwein abtut.

Diese betonte Nacktkultur ist keine Befreiung von falscher Wertung, sondern lediglich Umwertung in eine neue Absurdität

Sowohl der Mucker, der vor einem nackten Bild in eine Ekstase des Entsetzens fällt, als auch der Fidusmensch, der in der Nacktheit sein Sittlichkeitsideal vergöttert … beide sind nicht frei … beide sind sogar im selben Spitel krank … beide leiden an der Wertung der Nacktheit.

Bei aller Anerkennung für die gesunden Bestrebungen des Lichtbundes bleibt zu wiederholen:

Nacktheit hat an sich weder mit Unsittlichkeit noch mit Sittlichkeit etwas zu tun! Jede Wertung ist Unsinn und wenn der Fidusmensch mit dem Mucker nicht in dasselbe Panoptikum gestellt werden will, so wird er sich künftig mit einer ganz prosaischen Nacktheit ohne jede Sittlichkeitsglorie abfinden müssen.

1935 verwendete auch Ernst Bloch den Begriff, wenn er über die Zeit um 1900 schreibt:

Damals hatte die Materie noch Weinlaub im Haar, das Diesseits war nicht nackt wie eine Tatsache, sondern ‘nackt wie das Leben’, von Fidusmenschen bewohnt, von jener Sonne beschienen, die das Wochenende des dionysischen Kleinbürgers geworden ist. Heute dagegen werden andere Papiere verlangt, die Revolution verachtet die graeculi, die tänzerischen, die träumerischen, die schönen Propheten, hat die römische Kälte.[3]

[3] Ernst Bloch, “Dichtung und sozialistische Gegenstände“, in: Mitteilungen der Deutschen Freiheitsbibliothek, 5, 1935.

Letzte Änderung: 21. März 2023.

  1. Bj., “Unser Strandbad”, in: Neue Zürcher Zeitung, 26. Juni 1931, Nr. 1223, S.  Online []
  2. Nebelspalter, 57. Jahrg., 4. Dezember 1931, Nr. 49, S. 6-7. Online. []